Wieder fühlen – 04.04.20

gänseblümchen / pixelio.de
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Wir Menschen sind gefühlvolle Menschen. Wir fühlen. Unsere Gefühle sind Kommunikationsmittel – um andere zu erreichen. So fühlen wir alle mit der derzeitigen Situation mit. Ich auch. Ich fühle so wie viele andere mit den Sterbenden und deren Angehörigen mit. Mir tut die leidvolle menschliche Situation meiner Mitmenschen von Herzen leid.

Wir Menschen sind jedoch nicht nur gefühlvoll, sondern auch verständnisvoll. Wir haben Verständnis für das Leid und die Schmerzen von anderen. Und wir verstehen, wie Corona als Virus dieses Leid verursachen kann.

Die Nachrichten sind aktuell zweifellos gefühllos. Ja, leider habe ich gestern Abend im Fernsehen Nachrichten kurz geschaut. Ich habe mir vorgenommen, es nicht zu tun und wollte schlafen gehen. Dann habe ich doch kurz aufgedreht. Es wurden Särge über Särge dargestellt und sterbende Menschen auf Intensivstationen. Eine Welle der Gefühllosigkeit schwappte aus dem Fernseher zu mir als Zuseherin über.

Journalist*innen sind doch auch gefühlvolle und mitfühlende Menschen. Was ist denn plötzlich los mit ihnen? Wie muss es aktuell wohl in den Redaktionen zugehen, dass in dieser gefühllosen Art und Weise berichtet wird? Normalerweise werden in den Nachrichten ja auch nicht jeden Abend die Bilder der hungernden und sterbenden Kinder in Afrika gezeigt. Keine Bilder von Suiziden. Wir wissen alle, welches weltweite Leid in der Welt passiert. Wir wissen auch alle über den Klimawandel und seine Folgen bescheid. Ich brauche keine Dramatik in den Nachrichten. Ich verstehe Facts und kann mir Bilder dazu in meinem Kopf vorstellen.

Journalismus heisst, Inhalte und Themen öffentlich zu machen, die für die Gesellschaft von Belang und Interesse sind. Journalist*innen sind Dienstleister für die Bevölkerung. Ihre Aufgabe ist es auf keinen Fall, in uns einen Gefühlsstau und eine Gefühllosigkeit auszulösen, wie dies aktuell passiert.

Der bekannte Psychotherapeut und Analytiker Hans-Joachim Maaz plädierte in seinem Buch „Wenn wir wieder fühlen können“ (Herder Verlag, 2007) für Gefühle, die für unsere menschliche Entwicklung und Gesundheit von größter Wichtigkeit sind: „Wir wissen, dass ein Gefühlsstau eine wesentliche Ursache für viele Beschwerden und Erkrankungen werden kann. In der Medizin und Psychotherapie müssen also körperliche Beschwerden, Funktionsstörungen, psychische Symptome wieder in die ihnen zugrunde liegenden Gefühle zurückverwandelt werden, um sie zu heilen.

Psychosomatische Erkrankungen sind übrigens immer auch Gefühlserkrankungen.“Wir hätten eine andere Welt, wenn wir unsere Gefühle wertschätzen und angemessen ausdrücken könnten“ so Hans-Joachim Maaz. Dem kann ich mich heute am Tag 21 nur anschließen.

Fotocredit:  gänseblümchen  / pixelio.de

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