Ruhe – 17.04.20

Rainer Sturm / pixelio.de
Rainer Sturm / pixelio.de

Langsam wird es ein kleines wenig lauter. Aber wirklich nur ganz langsam. Gestern sah ich ein erstes Flugzeuge am Himmel. Auf den Straßen ist wieder etwas mehr Verkehr zu beobachten. Es sind auch wieder etwas mehr Fußgänger unterwegs. Lange noch nicht so viele, wie es früher waren. Von hektisch bewegenden Fußgängern und Staus am Himmel, auf der Straße und im Wasser sind wir noch weit entfernt.

Es ist wie als wenn die Welt in eine Pause versetzt worden wäre. Wie als wenn jemand beim Kassettenrekorder die Pausetaste gedrückt hätte. Das Gerät ist heute nicht mehr so bekannt, aber die Pausentaste war eine lustige Erfindung. Plötzlich herrscht eine Leere und Stille, wie wir sie schon lange nicht mehr kannten.

Die Verlangsamung unseres Lebens bietet Forschern die seltene Gelegenheit, die Welt unter neuen Bedingungen zu erforschen. Seismologen können plötzlich winzige Rumpelgeräusche unter der Erdoberfläche erkennen, die zuvor von Stadtgeräuschen überdeckt wurden. Efthimios Sokos, ein griechischer Seismologieprofessor und Forscher verglich Seismologen mit Astronauten, die aufgrund von Lichtverschmutzung die Sterne von Städten nicht sehen können. Gegenüber Reuters meinte er „Aber für uns ist es so, als ob die Lichter ausgeschaltet sind„.

Auch Forscher in Belgien und Brüssel haben diese Erkenntnis gemacht. Der städtische Lärm sei nach einer nationalen Sperrung in seinem Niveau dermaßen gesunken, dass er in seinen seismischen Aktivitäten einem Weihnachtstag entspricht. Paula Koelemeijer, eine Seismologin aus London sagte gegenüber The Atlantic: „Normalerweise würden wir kein Erdbeben der Stärke 5,5 von der anderen Seite der Welt aufnehmen, weil es zu laut wäre, aber mit weniger Rauschen kann unser Instrument jetzt 5,5 mit viel schönere Signalen während des Tages aufnehmen.“

Die Meeressäugerforschung profitiert ebenfalls von der neuen Ruhe und den Aufnahmen. Denn werden Wale durch den Lärm vorbeifahrender Fracht- und Kreuzfahrtschiffe gestört, stellen sie ihren Gesang ein, bis die Schiffe vorbeigefahren sind. Michelle Fournet, eine Meeresökologin bei Cornell meint:“Wir erleben eine beispiellose Pause im Meereslärm, die wahrscheinlich seit Jahrzehnten nicht mehr aufgetreten ist. Die Natur holt Luft, während wir Menschen unsere Luft anhalten.“ Die Forscher sind schon gespannt darauf, wie die Wale in Alaska in dieser Saison gedeihen werden, da Kreuzfahrtschiffe zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte fehlen. Denn Untersuchungen haben gezeigt, dass Umgebungsgeräusche von Schiffen und anderem Seeverkehr den Stresshormonspiegel bei Meerestieren so stark erhöhen können, dass sich dies auf ihren Fortpflanzung auswirkt.

Die Abnahme des lauten Verkehrs an Land und in der Luft hat noch einen weiteren wesentlichen Vorteil: die Luftqualität hat sich verbessert. Unserer menschlichen Gesundheit tut dies sehr gut. Denn Luftverschmutzung kann die menschliche Gesundheit ernsthaft schädigen. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass jährlich etwa 4,2 Millionen Menschen durch Umweltverschmutzung wie Schlaganfall, Herzerkrankungen und Atemwegserkrankungen ums Leben kommen. Aber auch für Insekten ist die verbesserte Luftqualität ein Segen. Hummeln können beispielsweise dadurch Blumen leichter erkennen, denn normalerweise verschleiern die Abgase die blumigen Düfte.

Ein Rückgang der Emissionen, einschließlich Kohlendioxid – dem Schadstoff, der die globale Erwärmung verursacht – wird jedoch leider die langfristigen Bemühungen zur Bewältigung der Klimakrise nicht beeinträchtigen. Dies meint Joseph Majkut, Direktor für Klimapolitik am Niskanen Center in Washington, DC gegenüber TheAtlantic:“Wir lösen den Klimawandel nicht durch eine globale Pandemie“. Leider.

Aber die Ruhe ist dennoch wunderschön. Sylvia Poggioli, eine NPR-Korrespondentin in Italien, meinte, dass die Straßen Roms so leer seien, „man kann tatsächlich das Quietschen rostiger Türscharniere hören“. Genießen wir sie, solange wir sie noch haben.

Fotocredit: Rainer Sturm  / pixelio.de

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