“Erinnerungen sind Wärmeflaschen fürs Herz”. Dieses Zitat stammt vom deutschen Bühnen- und Filmschauspieler Rudolf Fernau. Ich habe es heute gefunden und an den Moment vor 100 Tagen gedacht. Heute am Tag 33 vor 100 Tagen – am 7. Jänner 2020 – wurde die türkis-grüne Bundesregierung angelobt. Seit dem ist viel passiert. Ja die Corona-Krise ist ausgebrochen. Aber nicht nur das. Diese Regierung hat eine noch nie dagewesene Kommunikations-Strategie gestartet:
Insgesamt hat die Regierung seit diesen 100 Tagen rund 5.600 Beiträge und Posts auf ihren offiziellen Social Media-Seiten veröffentlicht. Sebastian Kurz, unser Bundeskanzler, hat die höchste User-Interaktion, nämlich 2,5 Millionen. Allein auf Facebook erreicht er die Hälfte aller Likes, Shares und Kommentare. Rudolf Anschober, unser Gesundheitsminister, und Alma Zadic, unsere Justizministerin, liegen dahinter. Allerdings hat Anschober lediglich 171.900 Interaktionen auf seinen Kanälen und Zadic 170.100 Interaktionen.
In Facebook-Ads wurde in den ersten 100 Tagen von den österreichischen Ministerinnen und Minister kaum investiert. Das war gar nicht notwendig. Denn die Postingfrequenz und Interaktionen der österreichischen Bundesregierung sind seit der Verkündung der Maßnahmen zu COVID-19 stark angestiegen. An die 3.000 Beiträge wurden seit Ausbruch der Corona-Krise auf Instagram, Twitter, Facebook veröffentlicht. 75% dieser Beiträge davon beziehen sich auf das Coronavirus. „Die Regierungsmitglieder sind bemüht, sachlich über die derzeitige Lage und die gesetzten Maßnahmen zu informieren und aufzuklären. Dies ist besonders auch wegen der zahlreich kursierenden Gerüchte und Fake News rund um das Coronavirus von großer Wichtigkeit“, erläutert Markus Zimmer, Geschäftsführer der Social Media-Marktforscher von BuzzValue. Sie haben die Krisenkommunikation zu COVID-19 der Regierungsmannschaft und deren Ministerien auf Facebook & Co genau unter die Lupe genommen und analysiert. „Generell ist die Krisenkommunikation der Bundesregierung in den sozialen Medien gut koordiniert und zwischen den einzelnen Ministerien und den zuständigen Politikerinnen und Politikern klar verteilt“.
Keiner kann behaupten, dass diese Regierung nichts im Griff hätte. Weder in Bezug auf die Kommunikation, noch in Bezug auf Kontrolle und Überwachung. Wenn Du Dich über die geplanten Corona-Tracing-Systeme als gesellschaftliches Großexperiment informieren willst, hier eine Zusammenfassung der Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) für die Corona-App des Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e. V.. Sie kommt zu folgendem Schluss: „Datenschutzanalysen betrachten die gesamte Verarbeitung von Daten, nicht nur die dabei eingesetzten Apps und die Grenzen der App sind nicht die Grenzen der Verarbeitung. In der öffentlichen Diskussion und in den betrachteten App-Projekten wird Datenschutz nach wie vor auf den Schutz der Privatsphäre, also Geheimhaltung gegenüber Betreiberïnnen und Dritten, und auf Aspekte der IT-Sicherheit wie Verschlüsselung reduziert. Mit dieser Verengung der Sichtweise kommen die erheblichen, gesellschaftlich wie politisch fundamentalen Risiken, die wir in dieser Folgeabschätzung aufzeigen, nicht nur nicht in den Blick – sie werden zum Teil sogar verschleiert. Aus dem Blickwinkel des Datenschutzes gehen die wesentlichen Risiken nicht von Hackerïnnen oder anderen Benutzerïnnen aus, sondern von den Betreiberïnnen des Datenverarbeitungssystems selbst.“
Im europäischen Konsortium PEPP-PT – das die Technologie für eine Corona-Tracking-App entwickeln will – gibt es übrigens aktuell zusätzlich noch einen Konflikt. Golem.de hat heute hier darüber berichtet. Also ehrlich: Eine digitale Verhaltenserfassung unter staatlicher Aufsicht löst in mir ein mulmiges Gefühl aus…
Fotocredit: uschi dreiucker / pixelio.de
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